Lernen ist ein lebenslanger Prozess, aber vor allem im Kindesalter werden die größten Lernschritte erzielt. Jedes Kind durchläuft verschiedene Phasen, in denen das Lernen mal leichter oder schwerer fällt, manche Themen liegen dem Kind einfach besser als andere und manchmal spielen auch andere Themen im Leben eine größere Rolle. Wenn es jedoch trotz großer Mühe und Motivation und entsprechendem Zeiteinsatz immer wieder zu Mißerfolgen kommt, kann die Ursache auch schwerwiegender sein. Sollte eine Lernstörung vorliegen, kann diese die Lernerfolge, die Motivation und sogar das spätere Leben des Kindes stark beeinflussen. Nicht jede Lernstörung ist gleich und nicht bei jedem Menschen gleich schwer ausgeprägt. Deswegen kann es wichtig sein, die Ursachen, Unterschiede und Anzeichen zu erkennen, um zu verstehen, ob eine Lernstörung vorliegen könnte.
Neben einer allgemeinen Lernbehinderung, die sich nicht nur auf spezielle Themenbereiche oder Schulfächer bezieht, sondern das ganze Leben des Kindes beeinträchtigt, unterscheidet das DSM-5 (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) drei Arten von Lernstörungen: Die Lese-, Rechtschreib- und Rechenstörung. Die Ursachen von Lernstörungen können sehr unterschiedlich und vielschichtig sein, sie zeigen sich allerdings erst während der Schulzeit. Oft weisen die Schüler:innen in anderen Bereichen gute oder sogar sehr gute Lernfähigkeiten auf, weswegen die spezifische Lernstörung weniger auffällt. Deswegen sollten Sie auf die im Folgenden aufgeführten Anzeichen achten.
Im Folgenden möchten wir auf die einzelnen Typen der Lernstörungen näher eingehen und erläutern, wodurch sie erkannt werden können. Damit möchten wir dazu beizutragen, dass zum Beispiel Eltern bessere Anhaltspunkte haben, um zu verstehen, ob bei ihrem Kind eine Lernstörung vorliegen könnte. Das kann auch als Unterstützung dienen, um mit den entsprechenden Stellen, Schulpsycholog:innen, Lerntherapeut:innen etc., Kontakt aufzunehmen.
Wie der Name schon sagt, haben Menschen mit einer Lesestörung, auch Legasthenie genannt, größere Probleme damit, Wörter richtig zu lesen. Ihr Problem ist, die geschriebene Sprache in die gesprochene umzuwandeln. Sie wird meist im Grundschulalter diagnostiziert.
Die Lesestörung fällt auf, wenn das Kind nicht nur sehr langsam liest, sondern das Vorlesen auch noch sehr mühsam wirkt. Außerdem entstehen häufig Lesefehler, wie das Verdrehen oder Auslassen von Buchstaben oder Worten.
Eine Ärztin oder ein Arzt würde durch verschiedene Tests erst einmal Probleme mit der Seh- und Hörfähigkeit, sowie eine generelle Störung der Konzentrationsfähigkeit ausschließen. Wenn das Kind also grundsätzlich lernfähig ist und in anderen Fächern oder Themenbereichen durchaus gute Ergebnisse erzielt und nur beim Lesen große Defizite aufweist, könnte eine Lesestörung vorliegen. Auffällig ist vor allem, wenn das Kind sehr zögerlich liest und die Wörter mehr versucht zu erraten, als tatsächlich zu lesen. Außerdem wird das Gelesene oft nicht richtig verstanden und das Kind hat Schwierigkeiten, das Gelesene laut zu wiederholen. Die Betroffenen brauchen in der Regel viel länger als Gleichaltrige, um denselben Text vorzulesen und müssen sich viel mehr konzentrieren. Sie beschreiben die Buchstaben als "herumspringend".
Die Rechtschreibstörung tritt häufig zusammen mit der Lesestörung auf und wird dann umfassend als Lese-Rechtschreibstörung (LRS) bezeichnet. Kinder, die eine Rechtschreibstörung haben, haben Probleme das gesprochene Wort in Schriftsprache umzuwandeln. Sie machen Rechtschreibfehler, indem sie Vokale und Konsonanten hinzufügen, weglassen oder vertauschen. Berühmt ist der Fall eines Professors aus Texas, der sogar seinen eigenen Namen fortwährend falsch schreibt.
Bei einem Kind mit einer Rechtschreibstörung sind Fehler beim Schreiben auffällig häufig. Diese Fehler können sich auf die Grammatik, die Zeichensetzung, die Gliederung von Absätzen oder den Ausdruck unklarer Ideen beziehen. Auffällig ist auch, dass Texte nicht korrekt abgeschrieben werden können. Die Handschrift ist möglicherweise sehr unleserlich. Buchstaben werden verdreht, Wörter werden in einem Text mehrfach unterschiedlich falsch geschrieben. Es ist möglich, dass nur sogenannte Wortruinen übrigbleiben, die kaum zu einem Wort zuzuordnen sind. Auch die Interpunktion kann immer wieder unterschiedlich falsch sein.
Bei Kindern mit einer Rechenstörung ist das arithmetische Denken beeinträchtigt. Das arithmetische Denken betrifft alles, was mit Zahlen und Rechnen zu tun hat. Diese Kinder haben ein grundsätzliches Problem, die Bedeutung von Zahlen zu verstehen. Aktuell deutet vieles darauf hin, dass das mathematische Denken nicht unbedingt beeinträchtigt sein muss. Das bedeutet, das komplizierte mathematische Zusammenhänge durchaus erfasst werden können, während die Probleme eher bei einfacheren Rechenaufgaben, die auf dem Zahlenverständnis beruhen, liegen. Auch hier gilt, wie bei den anderen Störungen auch: Die Intelligenz ist nicht beeinträchtigt. Das Kind kann durchaus sogar hochbegabt sein.
Menschen mit einer Rechenstörung haben in der Regel ein schlechtes Verständnis von Zahlen, ihrer relativen Größe und ihrer Beziehung zueinander. So müssen sie beispielsweise für einfache Additions- oder Subtraktionsaufgaben jedes Mal erneut mit der Hand abzählen, da sie den Wert der Zahl nicht mit dem Zahlenbegriff kombinieren können. Auffällig ist auch, dass mathematische Aufgaben deutlich mehr Anstrengung erfordern, als es bei Gleichaltrigen der Fall ist oder dass durch verstärktes Üben keine wirkliche Besserung eintritt. Kinder mit Dyskalkulie benötigen meist ein Veranschaulichungsmittel, wie beispielsweise die Finger, um Rechenoperationen durchführen zu können. Offensichtliche Rechenfehler können nicht erkannt werden und leichte Abweichungen von erlernten Mechanismen führen schnell zu Verwirrung.
Sollten Sie bei einem Kind eine Lernstörung vermuten und konnten einige der hier aufgeführten Anzeichen wiedererkennen, sollten Sie Kontakt mit der Schule des Kindes suchen. Auch gibt es die Möglichkeit die Kinderärztin oder den Kinderarzt zu kontaktieren, um an weiterführende Hilfsangebote verwiesen zu werden. Die Therapie- und Unterstützungsmöglichkeiten von Lernstörungen sind vielfältig und auch die Eltern können ihre Kinder zu Hause fördern. Das Erkennen der Störung ist der erste, wichtige Schritt auf dem Weg zur Verbesserung der Situation für die Kinder.
Lernstörungen treten häufig gemeinsam mit anderen Störungen auf
Alle Arten von Lernstörungen (Lese-, Rechtschreib- und Rechenstörungen) treten häufig gemeinsam oder mit anderen Störungen wie Aufmerksamkeitsdefizitstörungen, Angstzuständen und Depressionen auf. So ergab eine Studie von Visser und Kollegen (2020), dass von den deutschen Kindern mit Lernstörungen 21 % eine Angststörung und 28 % eine Depression hatten.
© Artem Podrez
This will close in 0 seconds